US-Physiker Gerald Feldman attestiert TUHH Vorreiterrolle in der Didaktik

Am vergangenen Mittwoch gab der us-amerikanische Physiker Gerald Feldman von der George Washington University (GWU), Washington D. C., einen lebendigen Einblick in das didaktische Format SCALE-UP. Bei diesem Akronym handelt es sich um die Abkürzung für ein interaktives Lernformat mit kooperativer Gruppenarbeit, das unter anderem Namen seit Jahren auch erfolgreich am Massachusetts Institute of Technology eingesetzt wird:

Student
Centered
Active
Learning
Environment for
Undergraduate
Programs

Diese Einführung hätte keinen besseren Ort finden können als den Studiolernraum K.1520 der TUHH, der vor etwa einem Jahr nach dem Vorbild dieser Methode u. a. durch das ZLL geplant und realisiert wurde. Das Lernszenario wird in Studiolernräumen mit runden oder mehreckigen Gruppentischen realisiert. Diese Räume sind mit Smartboards, Whiteboards, Rechnern, teilweise Dokumentenkameras und Bau- oder Experimentalsätzen für praktische Übungen ausgestattet. Für Feldman ist es ein gutes Zeichen, wenn man einen Raum betritt und nicht sofort weiß, wo vorne ist – also wo klassicherweise der Standort des Dozenten ist.

Wesentliche Merkmale der Methode sind:

–       aktives Lernen,
–       kollaborative Gruppenarbeit,
–       Minimierung der frontalen Inputs (Vorlesung),
–       praktische Anteile (wie bspw. Laborversuche) sind in die Kurszeit integriert
–       und der Einsatz unterstützender Multimediatechnik.

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Gerry Feldmann berichtet über Lernzuwächse bei den Studierenden, die mit SCALE UP unterrichtet wurden.

An der GWU wurde die Implementierung dieses Lehr-/Lernszenarios akribisch untersucht. Vor- und Nachtest ergaben einen signifikanten Lernzuwachs gegenüber traditionellen Lehrformaten.

Der methodische Ablauf  – Peer Instruction + Conceptual Testing + Competitive Activities

 

Die Studierenden bereiten sich auf die Veranstaltungen mit einem begleitenden Lehrbuch vor. Zu den für den jeweiligen Termin angegebenen Seiten beantworten sie Online-Quizzes (zweimal pro Woche) und auch im Kurs selbst wird jeweils ein Eingangsquizz mit Clickern von etwa zehn Multiple Choice-Fragen gestellt. Diese Aktivitäten fallen unter den Begriff „Warm ups“. Es sind Aufwärmübungen, um das selbst erarbeitete Wissen der Studierenden zu aktivieren und die Vorbereitung auf den Kurs zu fördern. Denn wer unvorbereitet kommt, so Feldman, der habe kaum eine Chance mitarbeiten zu können.

Der weitere Verlauf der Veranstaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Studierenden immerzu etwas tun, erläutert Feldman. Mit anderen Worten: Phasen, in denen sie „nur“ zuhören sind minimiert. Die Aktivitäten der Studierenden basieren auf drei Säulen:

  • Ponderables: Dabei handelt es sich um konzeptuelle oder numerische Probleme, die an Whiteboards gelöst werden.
  • Tangibles: Dies sind kurze praktische Aktivitäten wie z. B. auch im Labor stattfinden, aber es kann sich auch um eine Demonastration einer Gruppe handeln. Es geht hier vor allem darum, dass die Studierenden die Gegenstände ihrer Betrachtung selbst in die Hand nehmen und mit ihnen arbeiten. So lautet bspw. eine Aufgabe in Feldmans Kurs die Dichte der Luft mit Hilfe von Heliumballons zu bestimmen.
  • Computersimulationen: Anhand von Simulationen (an der George Washington University wird VPython genutzt) können die Studierenden Erfahrungen mit verschiedenen Szenarien machen. Feldman selbst allerdings zieht die vorigen Aktivitäten vor und nutzt keine Simulationen.

Bei allen diesen Aktivitäten arbeiten die Studierenden in 3er Gruppen zusammen, die von den Lehrenden eingeteilt werden (zur Mitte des Semesters werden die Gruppen neu zusammengestellt). Soweit es ihnen möglich ist, bemühen sich die Lehrenden der GWU dabei darum, bessere, durchschnittliche und schwächere Studierende in jeweils einem Team zusammenzufassen. Jeder Studierende erfüllt dann im Team eine der rotierenden Rollen: Teamleiter, Protokollant und Skeptiker. In einem selbst zu erarbeitenden Gruppenvertrag verpflichten sich die Studierenden dazu, gewisse Grundregeln einzuhalten – also regelmäßig zum Kurs zu kommen oder die Kommilitonen bei Abwesenheit rechtzeig zu informieren.  Dadurch, dass die Gruppen auch untereinander in einen gewissen Wettkampf treten, werde ein Anreiz geschaffen, auch die schwächeren Studierenden innerhalb der Gruppen mitzutragen, so Feldmann. „No one works alone anymore“, führt er weiter aus, und sieht dies als umfassende Vorbereitung auch auf das spätere Berufsleben.

Die Rahmenbedingungen – Ausstattung und Technik

 

Damit ein solches Szenario funktionieren kann, sind gewisse Rahmenbedingungen notwendig. Ein einstündiger Kurs

Gerry Feldman erläutert das Raumkonzept und berichtet von US-Universitäten, die die Methode bereits einsetzen.
Gerry Feldman erläutert das Raumkonzept und berichtet von US-Universitäten, die die Methode bereits einsetzen.

mit neun Gruppentischen wird von einem Lehrenden und zwei Tutoren betreut, so dass eine Person für drei Tische zuständig ist. Lediglich zwei Tische zu betreuen, wäre allerdings der optimale Fall, so teilt der Gast aus den USA seine Einschätzung mit. Ein Kurs tritt sich zu drei Terminen in der Woche (insgesamt fünf Stunden). Dort werden dann zwei zentrale Probleme bearbeitet – sowohl ein numerisches als auch ein konzeptuelles. Dafür haben die Studierenden etwa 15 Minuten Zeit, um die Situation einer Klausur zu simulieren und ihnen auf diese Weise bereits auch im Semester ein Feedback zu geben, anhand dessen sie einschätzen können, wo sie in etwa stehen. Allerdings, erläutert Feldman, seien diese Aufgaben etwas schwieriger als schließlich die Aufgaben in der Klausur. Und es habe sich auch gezeigt, dass das Abschneiden in diesen Aufgaben sehr gute Vorhersagen über das Abschneiden in der Klausur selbst ermöglicht.

Die Klausurnote macht allerdings nur 60% der Note aus, die restlichen 40% werden über die Bearbeitung der Quizzes und Hausaufgaben erarbeitet.

An der GWU werden nunmehr alle Einführungsveranstaltungen der Physik auf diese Weise unterrichtet: „We only teach scale-up, no more lecturing“, stellt Feldman mehrmals heraus. Dies umfasst Gruppenstärken von bis zu 117 Studierenden. Anschließend bemerkt er anerkennend, dass er in seiner Vorbereitung auf diesen Vortrag einmal recherchiert habe, wo in Europa bereits SCALE-UP parktiziert werde und außer der TUHH, so hebt unser Gast hervor, habe er nichts finden können.

Eine Aufzeichnung des Vortrags steht zur Verfügung.

 

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