Universitäten in Singapur: Prüfungssystem, Projekte, Gruppenarbeit und flipped classroom

Im Rahmen der ZLL-Delegationsreise nach Singapur war für uns eine Frage besonders spannend: Was wird dort didaktisch möglichicherweise ganz anders gemacht als bei uns? Darüber sprachen wir mit Hochschuldidaktikern, einem Vertreter der Deutschen Botschaft, der Leiterin des Singapurer DAAD-Büros sowie Lehrenden und Studierenden an drei Universitäten.

Grundsätzlich ist das Fazit: Überwiegend verfolgen die Singapurer Universitäten dieselben Ansätze wie wir in Hamburg. Doch im Detail gibt es durchaus Unterschiede.

Anders als im deutschen Hochschulsystem, in dem die Studierenden meist die Zeit vor einer Abschlussprüfung selbstständig strukturieren müssen, ist an Singapurer Universitäten die Verteilung von Prüfungselementen über das gesamte Semester die Regel. In einem Kurs des Bachelor-Studiums fließen z. B. neben der Abschlussprüfung (30%) in die Endnote auch die mündliche Beteiligung (10%), ein Midterm (20 %) und wöchentliche Aufgaben (40%) ein.
Diese Prüfungsstruktur veranlasst die Studierenden dazu, kontinuierlich für die Lehrveranstaltungen zu arbeiten. Sie erhalten regelmäßig Feedback und können ihr weiteres Lernverhalten entsprechend ausrichten. Darüber hinaus erhalten sie die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten in unterschiedlichen Formaten und nicht nur in einer Klausur unter Beweis zu stellen. All dies ist aus didaktischer Sicht positiv. Eine Kehrseite ist allerdings, dass die Studierenden durch die enge Taktung weniger Freiheit haben, ihr Studium selbstständig zu strukturieren.

SUTD Ring
von SUTD Studierenden kreierter Ring

Besonders interessant waren für uns in Singapur diejenigen Lern- und Prüfungsformate, die der realen Arbeitswelt von Ingenieurinnen und Ingenieuren entsprechen. Besonders an der Singapore University of Technology and Design ist derartiges Projektlernen üblich. Kleinere Projekte stehen schon ab dem ersten Bachelor-Semester auf dem Lehrplan, was sich bis zum Studien-Ende in der Komplexität steigert. In einem Studien-Abschlussprojekt arbeiten multidisziplinäre Studierendengruppen an Projekten, die von Industriepartnern eingebracht werden. In diesen sogenannten “Capstone” Projekten haben Studierende z. B. einen Ring kreiert, der eine Chipkarte ersetzt und von einigen Hochschulangehörigen genutzt wird.

Wohnheime auf dem Campus der Nanyang Technological University
Wohnheime auf dem Campus der Nanyang Technological University

Grundsätzlich ist Gruppenarbeit an den Singapurer Universitäten recht verbreitet, was auch mit einer kulturellen Komponente zu erklären ist. Gemeinschaft hat in der asiatischen Kultur eine große Bedeutung, was die Universitäten fördern und was didaktisch z. B. auch in den im ersten Bericht unserer Singapur-Reise erwähnten Gruppenräumen sichtbar wird. Andere Beispiele sind eigene Räume für einzelne Studierendenkohorten, ein vielfältiges Sport- und Freizeitangebot sowie Wohnheime auf den Campussen. Hier ist auch zu erwähnen, dass – ähnlich wie in den USA – die Gründung von und die Betätigung in studentischen Arbeitsgemeinschaften sehr gerne gesehen und auch durch freie Zeiträume in den Curricula unterstützt wird.

Besonders auch das Lernen mit Medien wird in Singapur momentan stark gefördert. Die Universitäten haben hier erste Erfahrungen mit großen Online-Kursen (MOOCs) gesammelt, doch ist dies nicht unbedingt die Entwicklungsrichtung, in der die Singapurer die Zukunft sehen. Höher im Kurs steht der “flipped classroom”, d. h. das Lehr-Lernkonzept, in dem das Selbststudium durch Online-Elemente der Präsenzveranstaltung vorgelagert wird, um während der gemeinsamen Zeit intensiver miteinander den Stoff bearbeiten zu können. Alle drei von uns besuchten Universitäten experimentieren oder arbeiten bereits mit diesem Konzept.

Nicht nur wir konnten in Singapur etwas lernen, sondern auch das Interesse unserer dortigen Partner an den lehrbezogenen Reformen an der TUHH war groß. Dies betraf einerseits den Ansatz der TUHH, Veranstaltungen im engen Austausch zwischen Lehrenden und einem didaktischen Zentrum weiterzuentwickeln. Auch beispielsweise unsere Ansätze für die Weiterqualifizierung oder im Bereich der Projektarbeit sorgten für einen lebhaften Austausch. Besonders freuen wir uns, dass auf beiden Seiten das große Interesse besteht, diesen Austausch fortzusetzen – auch über die große Entfernung hinweg.

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Portal der SUTD

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