“Es wird größere Einschnitte in den Studiengang geben” – Interview mit Prof. Dr.-Ing. Smirnova

Frau Prof. Dr.-Ing. Irina Smirnova ist Studiengangskoordinatorin des Studiengangs Verfahrenstechnik und Leiterin des Instituts für Thermische Verfahrenstechnik. Der Studiengang Verfahrenstechnik wird in Zusammenarbeit mit dem ZLL im Rahmen des „Call 12“ überarbeitet.

ZLL: Vor welchen Herausforderungen standen Sie im Studiengang Verfahrenstechnik, bevor der Call des ZLL kam?

Smirnova: Es gibt mehrere Herausforderungen. Die Modularisierung hat große Umstellungen mit sich gebracht, kleine Veranstaltungen fielen weg, andere wurden größer mit anderen Inhalten. Es war bereits damals klar, dass das vermutlich nicht der Endzustand sein würde, aber wir brauchten Zeit um zu sehen, welche Veränderungen gut greifen und wo es Anpassungsbedarf gibt. Wir haben festgestellt, dass in einigen Modulen die Klausurergebnisse nicht so sind wie wir es uns erhofft hatten. Zweitens war es sehr alarmierend zu sehen, dass in den vergangenen zwei Jahren die Studiendauer hoch ging. Wir hatten die Rückmeldung einzelner Studierender, dass es nahezu unmöglich wäre den Studiengang in Regelstudienzeit zu absolvieren. Wir wollten dann natürlich wissen, ob das eine Einzelmeinung oder eine repräsentative Situation der Studierenden war. Denn dann müssten wir uns als Lehrende natürlich darum kümmern.

Der Call des ZLL war für mich als Studiengangskoordinatorin und unseren Dekan Herrn Schlüter ein willkommener Anlass uns diese Dinge im Detail anzuschauen.

Das erste Anliegen war, sich eine verlässliche Informationsgrundlage über die Situation zu verschaffen. Was finden unsere Studierenden so schwierig? Woran liegt es, dass die Studiendauer hoch geht? Warum sind die Klausurergebnisse so schlecht?

Das zweite Anliegen war die Vernetzung zwischen den Fächern zu erhöhen, also mehr Bezüge zwischen den Fächern und den Semestern herzustellen. Wir wollten, dass die Studierenden erkennen warum der Studiengang so gestrickt ist, wie er ist. Wie gehören diese Fächer zusammen? Warum muss ich genau diese Fächer studieren, um ein guter Verfahrenstechniker zu werden? Weshalb diese Kombination?

Als drittes wollten wir den Anteil der Anwendungsbezüge erhöhen.

ZLL: Welche Beteiligte gibt es?

Smirnova: Alle zwölf Professoren des Dekanats. Wir haben in der Verfahrenstechnik jeden Monat eine Runde, wo wir wichtige Dinge so lange besprechen bis wir einen Konsens gefunden haben, mit dem alle leben können. Das ist ein wichtiges Merkmal unseres Dekanats und hilft uns auch dabei gute Professoren der Verfahrenstechnik hier zu halten.

Geleitet wird die Studiengangsweiterentwicklung von Herrn Jakobtorweihen, ein erfahrener Wissenschaftler und Habilitant bei mir am Institut. Er ist ein herausragend qualifizierter Mann. Wir haben neben seinen Fachkenntnissen sehr von den Programmen profitiert, welche er zur Analyse der Daten geschrieben hat. Diese Programme wird das Zentrum für Lehre und Lernen übernehmen und so der ganzen Hochschule zugänglich machen.

Wir arbeiten auch sehr gut mit der Fachschaft der Verfahrenstechnik zusammen. Das sind sehr engagierte Leute, die auch offen ihre Meinung sagen, was ich super finde.

ZLL: Welche Veränderungen stehen jetzt für den Studiengang an?

Smirnova: Es wird größere Einschnitte im Studiengang geben. Wir werden eventuell die eine oder andere Veranstaltung komplett fallen lassen und dafür andere mit aufnehmen. Aufgrund der Analyse haben wir außerdem beschlossen, Veranstaltungen in andere Semester zu verschieben. Wir sehen, dass es sinnvoller ist diese Veranstaltung früher zu hören.

ZLL: Welche Daten waren für Sie am hilfreichsten?

Smirnova: Besonders interessant waren unsere Lotsenstudierenden. Diese zwölf Studierende haben in jeder Veranstaltung gesessen und notiert, wenn Ihnen Bezüge zu anderen Lehrveranstaltungen und Semestern aufgefallen sind. Außerdem haben sie aufgeschrieben, wenn diese Bezüge von den Lehrenden explizit hergestellt wurden. Auf Initiative der Studierenden haben wir auch festgehalten bei welchen Bezügen es große Wiederholungen gab.

Die Studierenden haben viel mehr Verbindungen erkannt, als von den Lehrenden aufgezeigt wurden. Das ist erstmal gut, trotzdem haben wir auch festgestellt, dass viele Verbindungen, die wir als Lehrende für selbstverständlich halten, von den Studierenden nicht erkannt werden. Das ist für uns ein Anreiz an den Inhalten zu arbeiten. Dafür müssen wir als Lehrende viel mehr in die Inhalte der Kollegen einsteigen. Hierzu werden wir in Stud.IP einen eigenen Raum einrichten, bei dem alle Lehrende des Dekanats die Folien der Kollegen ansehen können.

Wir haben außerdem im 1. und 6. Semester eine Zeitlaststudie durchgeführt. Im Vorgespräch mit der Fachschaft stellte sich heraus, dass diese beiden Semester als anstrengend empfunden werden und wir wollten wissen, warum das so ist. Das genaue Aufschreiben der Zeiten machte es möglich durch einfache Maßnahmen in der Organisation des Tages das Gefühl der Belastung bei den Studierenden zu reduzieren. Die Veranstaltungen sollen künftig mehr geblockt sein, so dass nach der Vorlesung direkt die Übung kommt. Außerdem ist herausgekommen, dass im sechsten Semester zu viele Praktika gleichzeitig stattfinden. Wo es inhaltlich sinnvoll und möglich ist, werden wir Praktika in andere Semester verschieben. Im sechsten Semester soll die Bachelorarbeit parallel zu drei Praktika geschrieben werden. Wir werden künftig schon im fünften Semester informieren wie es mit der Bachelorarbeit läuft und durch Verschieben von Praktika mehr Zeit für die Bachelorarbeit schaffen. Dadurch soll das sechste Semester entlastet werden. Auch das Grundpraktikum wird reformiert. Wir möchten auf jeden Fall die Studierbarkeit in sechs Semestern verbessern. Sehr engagierte Studierende haben das auch bisher alles geschafft, aber uns wäre daran gelegen, dass noch mehr Studierende es schaffen.

ZLL: Die Lotsen haben Ihnen folglich die Frage nach der Vernetzung der Inhalte im Studiengang beantwortet, die Zeitlaststudie die Frage nach der Studierbarkeit in Regelstudienzeit?

Smirnova: Die Kombination beider Methoden war so perfekt.

ZLL: Was hat sich für die Verbesserung der Klausurergebnisse herausgestellt?

Smirnova: Wir hoffen, dass diese auch durch die Verschiebung der Praktika an einen früheren Zeitpunkt verbessert werden. Das praktische Üben soll das Verständnis stärken. Wir haben sehr praktisch orientierte Kenntnisse wie unsere Grundoperationen. Diese kann man ja tatsächlich praktisch durchführen. Nur wenn man diese Apparate noch nie wirklich angefasst hat, kann es sein, dass man sich das Ganze nur schwer vorstellen kann. Das macht es schwieriger Übungen zu diesem Thema zu machen oder zu rechnen. Im alltäglichen Leben hat man wenig Zugang zu manchen Themen. Bei der Wärme- und Stoffübertragung kann ich ein Beispiel mit der Heizung bringen, wenn ich aber von einer Extraktionskolonne spreche, hat man diese vielleicht in seinem Leben noch nicht gesehen. Ich zeige zwar auch Videos und Fotos, aber etwas selbst angefasst zu haben, ist eben doch etwas anderes. Wir werden sehen, ob das die Klausurergebnisse verbessert.

Wir hoffen außerdem, dass durch die Abstimmung der Veranstaltung und die Vernetzung der Themen über die Semester hinweg die Klausurergebnisse profitieren.

ZLL: Welchen zeitlichen Rahmen haben Sie sich gesteckt?

Smirnova: Es hängt davon ab, wie unsere Anliegen durch die Gremien gehen. Wir werden zunächst die Klausurtagung nachbereiten. Dazu gehört alle Vorschläge aufzuarbeiten, die ECTS ausrechnen, mit der Fachschaft und dem SLS zu sprechen.

Anschließend möchten wir die Änderungen durch die Gremien bekommen. Wir sind eigentlich optimistisch bereits im nächsten Wintersemester mit dem neuen Studienplan beginnen zu können. Ob das klappt, weiß man natürlich nicht.

Es sind auch mehrere neue Professuren im Gespräch in der Verfahrenstechnik. Auch in Richtung der vom Präsidium unterstützten geplanten Sonderforschungsbereiche. Spätestens wenn diese neuen Kollegen kommen, muss man sehen wie man deren Interessen berücksichtigt. Der Studienplan hängt nicht nur an Fächern, er hängt auch an Personen, die diese Fächer lehren. Diese legen verschiedene Schwerpunkte, was legitim ist und das Leben an der Uni interessant macht.

ZLL: Gibt es für den Prozess, den Sie angestoßen haben noch Hürden?

Smirnova: Wir sind optimistisch, dass wir die organisatorischen Hürden gemeinsam mit dem SLS und dem ZLL lösen können. Bei uns gibt es auch die Hürde Raumvergabe, wir haben einen allgemeinen Mangel an Räumen an der Uni. Wenn wir Veranstaltungen verblocken wollen, muss das auch räumlich möglich sein. Aber ansonsten sehe ich keine größeren Probleme. Wir haben auch nur Maßnahmen vorgeschlagen, die machbar sind. Wir wollen etwas Konkretes erreichen und keine Probleme identifizieren, für die es keine Lösungen gibt.

ZLL: Sie haben sehr ausführliches Feedback ihrer Studierenden eingeholt, wie bleiben Sie in Zukunft bezüglich des Studiengangs mit den Studierenden im Gespräch?

Smirnova: Wir hätten gern regelmäßig so ein Feedback, konnten es aber jetzt nur mit der Unterstützung der ZLL-Mitarbeiter machen. Bei der Zeitlaststudie muss jemand jeden Tag überprüfen was die Studierenden eingetragen haben, das können wir schon personell am Institut nicht leisten. Die große Frage ist, ob das ZLL auch nach der Studiengangweiterentwicklung zur Verfügung stehen wird, denn wir möchten natürlich nach Durchführung aller Maßnahmen wissen, ob es geholfen hat. Wir würden gern zu einem späteren Zeitpunkt eine Vernetzungsanalyse durchführen um zu gucken, was sich getan hat.

Das Studiengangweiterentwicklungsprojekt läuft jetzt ein Jahr und Herr Jakobthorwein war auch sehr damit beschäftigt, mit Unterstützung vom ZLL. Nebenbei kann man so ein Projekt nicht durchführen.

 

Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews mit Prof. Smirnova

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