Aus Fehlern lernen – Fehlvorstellungen anzusprechen ist auch in Lehrvideos hilfreich
Im Rahmen des monatlichen Journal Clubs des ZLL haben wir uns im letzten Monat mit dem klassischen Thema der Fachdidaktik auseinandergesetzt: Fehlvorstellungen. Das ist ja ein alter Hut könnte man sagen. Gerade in der Physik sind sie sehr gut untersucht und es sind auch schon viele Artikel mit Anregungen zum Umgang mit Fehlvorstellungen in der Lehre publiziert worden. Aktivierung der Studierenden ist dafür das Mittel der Wahl. Strategisch eingesetzte qualitative Arbeitsblätter, Konzeptverständnisfragen in der Lehrveranstaltung und verstärkte Möglichkeiten für die Studierenden zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Stoff, zum Beispiel in Diskussionen, werden auch an der TUHH von vielen Lehrenden schon eingesetzt. Was ist jetzt also neu?
Die oben beschriebene Forschung kann auch auf Lernen außerhalb des klassischen Klassenraumes übertragen. Das Lernen mit neuen Medien ist immer stärker im Fokus in Universitäten und so auch bei uns. Es gibt die Möglichkeit, ganze Vorlesungen auf Video aufzuzeichnen und sie dann im nächsten Semester didaktisch aufbereitet als Vorbereitungsmaterial zu nutzen. So kann man in der Präsenzzeit stärker mit den Studierenden in Interaktion treten und Probleme und Fragen bearbeiten. Auch sonst sind Videos eine beliebte Methode, um Inhalte Online bereit zu stellen – sie sind günstig und relativ einfach zu erstellen. Da liegt es also nahe, die lerntheoretischen Erkenntnisse der Fachdidaktik auch in diesem Zusammenhang zu erforschen.
Derek Muller und seine Kollegen haben sich in ihrer Studie, die in dem Artikel „Saying the wrong thing: improving learning with multimedia by including misconceptions“ zusammengefasst ist gefragt, ob Fehlvorstellungen sich auch in Lehrvideos adressieren lassen.
[youtube http://www.youtube.com/watch?v=RQaW2bFieo8&w=560&h=315]Die gute Nachricht: Es funktioniert. Und das für Lerner mit geringem, aber auch für solche mit größerem Vorwissen. 364 Studienanfänger der Physik haben sich zufällig zugeordnet eines von vier verschiedenen Videos zu Newtons ersten beiden Gesetzen angeschaut:
- Darstellung: vorlesungsartige Darstellung mit den zentralen Fakten
- Erweiterte Darstellung: Darstellung mit interessanten aber nicht prüfungsrelevanten Zusatzinformationen
- Widerlegung: Darstellung, in der typische Fehlverständnisse genannt und danach widerlegt wurden
- Dialog: Dialog zwischen Tutor und Student zu den Inhalten der Widerlegung
Die größten Lerneffekte wurden bei den Studierenden gemessen, welche eins der beiden Videos mit den Fehlvorstellungen schauten erzielt, wobei Studierende mit geringem Vorwissen noch stärker profitierten.
Durch die Anreicherung mit Fehlvorstellungen lässt sich also auch ein so passives Medium wie Video sehr verbessern und ermöglicht eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Stoff.
Genug gelesen? Sie wollen sehen wie das geht? Derek Muller setzt seine Erkenntnisse auch selber gern in interessanten und lehrreichen Videos um.